Gestern fand die Wohnungsdebatte im Gemeinderat statt, mit durchaus interessanten Ergebnissen. Es wurde eine neue Politik für die kommenden fünf Jahre beschlossen.
Klare Zielvorgaben für neue Wohnungen [SWP]
ZitatEs wird eng in Ulm. 700 neue Wohnungen jährlich sollen in den kommenden fünf Jahren gebaut werden. Das ist die Zielvorgabe der Stadt Ulm.
Mittlerweile ist dazu auch der Punkt in der Bürgerinfo freigeschaltet. Dort gibt es ein interessantes, 63seitiges Dokument, dessen Kerninhalte ich hier mal zusammenfassen möchte.
Auf die Ziele, die man sich für den Planungshorizont 2012 bis 2016 gesetzt hatte, wird wie folgt zurückgeblickt:
- Die Zahl der Baufertigstellungen übertraf mit ca. 350 WE/a deutlich die Zielgröße von 300 Wohnungen,
- der Geschosswohnungsbau konnte wieder deutlich „hochgefahren“ werden,
- Errichtung von ca. 300 barrierefreien Wohnungen,
- Errichtung von über 100 großen, 4- und mehr-Zimmer-Wohnungen,
- Vermarktung der ersten 40 preisgünstigen Wohnungen zur Miete,die ersten Baugruppenprojekte sind in Realisierung bzw. Projektierung.
Für den Planungshorizont 2017-2021 setzt man sich folgende Ziele:
- Verdoppelung der Baufertigstellungszahlen von derzeit 350 WE pro Jahr auf zukünftig 700 WE pro Jahr,
- von den insgesamt geplanten 3.500 WE sollen rund 80 % in der Innenentwicklung realisiert werden,
- Erstellung von Innenentwicklungskonzepten für drei Schwerpunkte: Unterer Eselsberg, Wiblingen-Tannenplatz und Böfinger Steige,
- Ausweitung des Programms „Preisgünstiger Wohnraum zur Miete“ durch Erhöhung des preisgedämpften Wohnflächenanteils von 20 % auf 30 %, bei gleichzeitiger Absenkung der Vorgaben für barrierefreies Bauen und des Anteils großer 4- und mehr-Zimmer-Wohnungen – im Sinne einer Kompensation,
- weitere Förderung von Baugruppenprojekten. [Anmerkung: Auf S. 8 ist vermerkt, dass bereits jetzt Grundstücke im Egginger Weg, im Wengenholz, am Safranberg und im Dichterviertel für Bauherrengemeinschaften vorgehalten werden]
Zu beiden Horizonten finden sich unter den Abschnitten 2 und 3 im Dokument detailliertere, ausführlichere und teils bis ins Einzelprojekt aufgeschlüsselte Informationen -- lesenswert, finde ich, und gutes Referenzmaterial für die Handbibliothek jedes Foristen hier .
Spannend finde ich die Ausführungen zur Bevölkerungsentwicklung. Dieses ist ab 2013 sprunghaft angestiegen, von bis dahin etwa 400 neuen EW/Jahr auf 1.150, 1.500 und 1.650 EW/Jahr in den Jahren 2013-2015. Das Wachstum speist sich vor allem aus drei Quellen: Bildungswanderung, Zuzug aus dem EU-Ausland, Flucht/Asyl. Die Entwicklungsszenarien, die 2013 für die Jahre 2014-2030 entworfen worden sind, sind bereits 2014 deutlich von der Realität überholt worden (S. 9):
ss+(2016-03-24+at+07.31.27).png
Sind wir in 14 Jahren eine 140.000-Einwohner-Stadt? Der Sondereffekt Flucht/Asyl Mitte der 2010er Jahre wird sich statistisch zwar wohl wieder austarieren, aber die Realität wird sich näher an Szenario 1 als an Szenario 2 oder dem Mittel bewegen.
Ein Großteil des Wachstums ist indes in der Kernstadt (Innenstadt, Oststadt, Weststadt) zu verzeichnen, wo bereits 38% aller Ulmer leben. Interessant ist, dass der Bericht auch auf die Situation in Neu-Ulm eingeht, wo in absoluten Zahlen (durchschnittlich 330 WE/a zu 310 WE/a) und erst recht relativ zur jeweiligen Stadtgröße deutlich mehr gebaut wurde, sodass Ulm ca. 750 Einwohner an Neu-Ulm verloren hat. Das wird bei allem Verständnis als gemeinsamen Oberzentrum als Defizit verstanden, erst recht angesichts der kommenden Neubauprojekte (Ulmer Hofgut/Ludwigsfeld, Wiley-Nord, Ulmer Riedteile: zusammen 780 WE).
Aus diesen und einigen anderen Gründen (S. 20f.), vor allem aber hinsichtlich des dringenden Bedarfs an bezahlbarem Wohnraum (S. 26ff), hat die Verwaltung vorgeschlagen, das jährliche Ziel von 350 WE/a auf 700 WE/a zu verdoppeln. Natürlich im Bewusstsein, dass das für Verwaltung, Investoren, Projektentwickler und Bauwirtschaft eine gewisse Herausforderung darstellt. Von den so avisierten 3500 WE bis 2021 entfällt der Löwenanteil von 3000 WE (S. 21f) auf Wohnungen im Geschosswohnungsbau, die zwei Bedingungen erfüllen sollen: Nähe zu ÖPNV-Haltestellen der Linien 1 bis 5 und Nähe zu Nahversorgungszentren, jeweils um die bereits bestehende Infrastruktur und Erschließung auszunutzen. Und künftig sollen 30% statt 20% aller WE in Vorhaben >1000m² BGF (S. 29f.) preisgedämpft sein.
ss+(2016-03-24+at+08.18.31).png
ss+(2016-03-24+at+08.21.18).png
Konkret angedacht sind drei größere Schwerpunkte und einige kleinere sowie weitere Maßnahmen:
- Unterer Eselsberg
- Böfinger Steige
- Wiblingen-Tannenplatz
- Messe-Parkplatz Stockmahd: Messe-Parkhaus und Geschosswohnungsbau
- Gummi-Welz-Areal
- Einkaufszentrum Stifterweg
- Forcierung von Projekten aus dem Innenstadtkonzept
- Aufstockungen, Ausbauten (z.B. Dachgeschosse), Sanierungen, Ersatzneubauten
- Baulückenschließung (derzeit ca. 200 im Stadtgebiet)
- Weiterentwicklung von Einzelstandorten (z.B. Bauen in zweiter Reihe, Grünflächen)
Soll alles nach Möglichkeit über integrierte Stadtteilentwicklungspläne gehen, also die Bewohner der Nachbarschaften miteinbeziehen. Die UWS will in allen aktuellen und zukünftigen Baugebieten mitmischen. Die Tätigkeit soll sich im Wesentlichen auf den Innenbereich beziehen, also die im Flächennutzungsplan entsprechend ausgewiesenen Gebiete. Als einziges größeres Vorhaben im Außenbereich bis 2021 steht ein Neubaugebiet auf der Kohlplatte (westlich Söflingen, südlich Roter Berg) an.
Aber wie gesagt -- lest selbst .
Ich bin gespannt, wo an den drei größeren Schwerpunkte die jeweils 50-100 WE herausgeholt werden sollen. Beim Unteren Eselsberg ist es vielleicht doch nicht undenkbar, dass in den Kleingartenbestand eingegriffen wird -- andererseits gibt es hier auch viel qualitativ allenfalls Mittelmäßiges aus den ersten Nachkriegsjahren. Durch die Hanglage lassen sich immerhin auch mal nachbarschaftsverträglich fünfgeschossige Neubauten realisieren -- fünf Geschosse à 2 WE sind auch schon 10 WE in einem Objekt. Etwas vermisse ich Vorhaben in Ortsteilen wie Lehr oder Jungingen, die ebenfalls über eine relativ gut ausgebaute Infrastruktur verfügen, die man noch etwas besser anzapfen könnte.