Gemeinde Lonsee: Bürgerentscheid um das Wohngebiet "An der Lone"

  • Seit dem 1. Dezember 2015 sind Bürgerbegehren und Bürgerentscheid in baden-württembergischen Kommunen neu geregelt. Um ein Bürgerbegehren anzuregen, müssen nur noch 7% (statt bislang 10%) aller wahlberechtigen Einwohner ihre Unterschrift vorlegen, und der Bürgerentscheid ist bereits bei einem Quorum von 20% (statt bislang 25%) aller Stimmberechtigen der Gemeinde verbindlich.


    Als erste Gemeinde im Alb-Donau-Kreis wird am 26. Juni in Lonsee ein Bürgerentscheid unter den neuen Bedingungen eine Angelegenheit entscheiden. Anlass ist die Ausweisung eines neuen Baugebiets, "An der Lone", das auf einem ortskernnahen Acker direkt an der Lone sowie einem Grundstück, das bislang von einer Hofstelle belegt wird, ein weiteres Seniorenzentrum und Grundstücke für 24 Einfamilienhäuser beherbergen soll. Dazu soll der Acker aus dem Landschaftsschutzgebiet herausgelöst werden, wogegen das Landratsamt keine Einwände erhoben hat. Um den lonenahen Baugrund zu verfestigen und Bauen im Wasser entgegenzuwirken, soll das Gelände zudem aufgefüllt werden.


    Eine Bürgerinitiative stellt sich gegen die Pläne und hat genügend Unterschriften gesammelt, um einen Bürgerentscheid zu erzwingen. Hauptargumente gegen die Bebauung sind der Eingriff in das Landschaftsschutzgebiet und in die Natur sowie eine bis dato nicht vorgelegte hydrogeologische Untersuchung, da der Gedanke nahe liegt, dass durch die große Nähe zur Lone und durch den hohen Grundwasserspiegel der Baugrund nicht geeignet sei. Außerdem würde die Auffüllung mit einer Höhe von 1,5 Metern erheblich in die Umgebung eingreifen.


    Die Vorgeschichte ist in der SWP ganz gut dokumentiert. Auszugsweise: Lonseer wollen entscheiden [SWP, 30.03.2016] -- Bürgerentscheid über Bebauungsplan für Baugebiet beschlossen [SWP, 10.05.2016] -- Lonseer dürfen entscheiden [SWP, 11.05.2016]



    (Quelle: Gemeinde Lonsee)


    Die Angelegenheit treibt die ganze Gemeinde gehörig um. Hier etwa findet sich ein längerer Text des Bürgermeisters im Q&A-Stil. Die BI indes hat das Gelände auf der Höhe abgesteckt, auf der es die Auffüllung vermutet. Zu sehen ist das hier: Aktivisten in Lonsee protestieren gegen Aufschüttung im Baugebiet "An der Lone" [SWP, 29.04.2016]. Die Verwaltung hat später mit eigenen Stecken gekontert, die ein Vermesser eingepflanzt hat.


    Nun fand am 31.05.2016 eine gemeinsam vereinbarte Informationsveranstaltung in Lonsee statt, bei der die beiden Seiten wohl buchstäblich aufeinandertrafen:


    Befürworter und Gegner diskutieren Baugebiet "An der Lone" [SWP]

    Zitat

    Anfangs Fakten, später eine Diskussion, die stellenweise einen fairen Umgang miteinander vermissen ließ. Die Fronten in Lonsee scheinen verhärtet.

    Womit ich zum eigentlichen Punkt komme, der mich diese Vorgang mit einigem Interesse verfolgen lässt. Es ist bedenklich zu lesen, für wieviel böses Blut diese Sache sorgt -- und es ist erschreckend, wenn man daran denkt, dass das nahezu überall so oder so ähnlich abläuft. Das meine ich gar nicht als Kritik an Bürgerinitiativen, sondern eher als Kritik am allgemeinen Unwillen, Argumente abzuwägen und den dann sinnvollsten Kompromiss mitzutragen oder aber die sinnvollere Alternative zu akzeptieren, auch wenn man "verliert".


    Eigentlich sind diese direktdemokratischen Instrumente dazu gedacht, Konsens zu erzeugen und Gemeinden zu befrieden. Liest man aber den Bericht zur Informationsveranstaltung, dann sieht man nichts als unnachgiebige Frontstellungen bis hin zu persönlichen Anfeindungen. Insofern kann ich den Bürgermeister verstehen, der zwar hinter dem Projekt steht, sich aber auch um den Frieden in der Gemeinde sorgt. So, wie es ist, wird es Verlierer und Gewinner geben und zwischen ihnen Gräben, die sich vielleicht nicht mehr zuschütten lassen. Die politische Kulturtechnik des Kompromisses und die gesellschaftliche der Verständigung scheinen verschütt zu gehen.



    Um aufs städtebauliche zurückzukommen: Das neue Wohngebiet folgt dem Prinzip der Innenentwicklung vor Außenentwicklung. Statt einem weiteren Wohngebiet oben auf dem Berg soll unten im Tal, direkt am alten Ortskern, gebaut werden. Das spart Erschließungskosten, indem es die bestehende Infrastruktur besser ausnutzt. Lonsee ist insgesamt eher unglücklich gelegen: Der Ort wird zerschnitten durch die Filstalbahn und zwei Landesstraßen; dementsprechend hat der Ort gewissermaßen zwei Zentren. Der Siedlungsschwerpunkt hat sich im Laufe der Zeit den Berg hinauf verlagert, teils mit überbreiten Straßen, die während der Hochzeit des autofreundlichen Paradigmas in der Verkehrswegeplanung angelegt worden sind.


    Insofern finde ich es prinzipiell richtig, den alten Ortskern zu stärken und das Gleichgewicht wieder etwas zurückzuziehen. Ich hätte mir gegenüber der aktuellen Planung im nordwestlichen Abschnitt, am Seniorenzentrum, aber eher noch zwei oder drei MFHs mit je 2-3 WEs gewünscht, um den gewünschten Zentrumseffekt etwas zu befördern. Das entspräche auch von der Kubatur her auch durchaus der Umgebungsbebauung.

  • Vielleicht hatte das ja seinen Sinn daß dort die Wiese nicht bebaut wurde? Haltet mich bitte nicht für hysterisch oder aktionistisch, aber so nahe an einem fliessenden Gewässer würde ich mein Haus nicht bauen mögen. Die Ereignisse der letzten Tage sollten einem schon zu denken geben.
    Wer weiß welche Gegend es als nächstes trifft.
    Lonsee ist da für mich fast schon prädestiniert:
    - Bebaute Hügel ringsum (bei Starkregen läuft das Wasser nicht mehr in die Kanalisation sondern sucht sich seinen Weg auf den Straßen ins Tal, leider selbst gesehen)
    - Ortskern im engen Tal, eingezwängt zwischen Straßen und Bahnstrecke
    - Häuser auch jetzt schon dicht an der Lone gebaut

  • Bürgerbegehren in Lonsee ist gescheitert [SWP]


    Zitat

    Mit 74,9 Prozent der Stimmen haben die Lonseer gestern den Bürgerentscheid abgelehnt. Die Gemeinde kann damit das Baugebiet „An der Lone“ weiter planen.

    Die wichtigste direktdemokratische Abstimmung der vergangenen Woche ;) . Was bleibt? Was in größeren Städten teils schon üblich ist, wird sich nun vielleicht auch auf dem Land ausbreiten: frühzeitige Beteiligung der Bürgerschaft, die über die gesetzlichen Vorschriften hinausgeht. Und: Zum Porzellanzerschlagen gehört auch, die Scherben aufkehren zu können. Dürfte auch für die zweitwichtigste direktdemokratische Abstimmung der vergangenen Woche Herausforderung und Lehre sein...

  • teils mit überbreiten Straßen

    das finde ich überhaupt nicht. Im Gegenteil: ich finde es eine Fehlentwicklung dass jetzt überall sichere breite Straßen unnötigerweise gefährlich verengt werden. Man macht eine Stadt nicht automatisch 'besser' indem man sie autofeindlich gestaltet