Stimmung in der Bude :D.
Richtig, ich fische oft nach und hoffe oft auf Diskussionen. Der sachliche Austausch und die gegenseitige Information steht uns gut als Kerngeschäft, und da erkläre ich mal Bob zum MVP des Forums (neben den alten Kämpen Thorsten, Reinhold, Aquarium; Bob wollte lange schon mal extra würdigen). Aber ich freue mich jedes Mal wieder, einen neuen Post hier zu sehen, egal von wem - soviel Qualität läuft hier rum ;). Ich gebe es gerne zu: Ich bin kompletter Laie, und ich lese mir zwar Dinge an, aber lieber noch werde ich hier zum Nachdenken gebracht. Wenn ich dann ein bisschen sticheln muss, um das rauszuholen: dann mache ich das gerne. Läuft :).
Kontraste und Reizpunkte
Ich wusste, dass dieser völlig berechtigte Einwand kommen würde, aber der Diskussion halber habe ich auf eine konkrete Einschränkung verzichtet. Ja, in Ulm steht viel alt neben neu und neu neben alt, und ja, Melo hat (finde ich) völlig Recht, wenn er meint, dass sich viele Architekten in solchen Situation in billiges Geblubber flüchten - bietet sich halt an. Die generelle Idee finde ich aber trotzdem nicht verkehrt. Ich mag Melos Beispiel mit den Fischerviertel; wenn wir weggehen von Architektur als Statement zum Bauen als Zweck (Wohnen, Arbeiten, Einkaufen), dann sehen wir hier doch durchaus ein paar ordentliche Beispiele, wie man behutsam mit seiner Altstadt umgehen kann, ohne sich an sie ketten zu müssen.
Daher warte ich auch ziemlich sehnsüchtig darauf, dass die ersten Gebäude am nördlichen und westlichen Ende des Münsterplatzes fallen. Klar ist, dass da hohe Anforderungen herrschen und dass eine Neubebauung hier verdammt viel richtig machen muss. Klar, die Chancen sind nicht sonderlich groß, dass ein Volltreffer gelandet wird - aber das Risiko muss man eingehen. Und falls es doch klappt, dann wäre das fantastisch.
Ensemblewirkung
Die Ensembletheorie, so es sie gibt, übersteigt meinen Horizont als Amateur. Allerdings würde ich gerne anbringen, dass Ensemble vermutlich erst im Auge des Betrachters zu solchen werden - wir projizieren ja gerne zurück und sehen in Gebäudegruppen auch mal beabsichtigt angelegte Ensemble, die als solche in ihrer Entstehungszeit, die sich teils über Jahrzehnte gespannt haben kann und zufällig verlief, vielleicht gar nicht angelegt waren. Was ich damit meine: Ensemble in Städten werden eher im Laufe der Jahrzehnte und durch ihre Alltagsnutzung zu solchen, und nicht unbedingt durch eine koordinierte Anlage.
Ehrlichkeit als architektonische Kategorie
WIeder schwierig, wieder jenseits meines Horizontes (was mich natürlich nicht davon abhält, es trotzdem einfach mal zu behaupten :D). Klar ist, wenn wir Ehrlichkeit als Komponente einbringen, dann reden wir schnell auch über Ethik und Moral, und da kommt man eh zu keinem Ende. Aber Venedig finde ich ein interessantes Beispiel, denn für mich ist Venedig eine Touristenstadt mit viel Staffage und viel Fassade. Sicherlich ist das wiederaufgebaute Fenice visuell ansprechend und es bewahrt die Integrität des Stadtbilds, aber es bleibt halt immer noch eine Vorspiegelung. Ich glaube, dass der Wiederaufbau in der Fachwelt auch durchaus umstritten war.
Nachkriegszeit im Ulmer Stadtbild
Erneut mit einem Grinsen im Gesicht gepostet. Yes, im Gebäudebestand der Innenstadt sind Bauten seit den 1950er Jahren gewissermaßen stark überrepräsentiert. Aber Reinhold zählt ja eine durchaus stattliche Liste an Straßenzügen auf, die wir noch haben; Ulm ist in dieser Hinsicht nicht Pforzheim und auch nicht Heilbronn, Gott sei Dank. Dass wir wenig Tolles aus den 1950ern haben (und das ehem. Jung-Gebäude in der Neuen Straße wollen sie auch abreißen :(), sehe ich aber wie Reinhold eher schnöde darin, dass es finanziell nicht anders ging. Da hatte man andere Sorgen. Und trotzdem ist Ulm insgesamt nicht sooo schlecht aufgestellt, da war ich schon in ganz anderen Städten unterwegs, in denen ich im Kopf die Fluchtrouten zum Bahnhof durchgespielt habe...
Sedelhöfe
Meine kleine Verteidigung der Moderne war gar nicht mal so sehr auf die Sedelhöfe gemünzt, mit denen ich nicht so sonderlich glücklich bin. Eine gewisse Qualität werden sie architektonisch schon haben, aber ein Einkaufscenter plus Wohnen und allerlei, verkleidet als Stadtviertel (wie es von der Verwaltung und der Stadtspitze propagiert wird), finde ich sogar unehrlicher (;)) als ein reguläres Einkaufscenter. Da weiß man wenigstens, was man vor sich hat. Ein Stadtviertel, das dann aber einem Investor gehört und stets weiterveräußert werden kann? Bah. Kokolores. Aber ja, stimmt auf jeden Fall: die Geschichte gibt mir und meiner Ansicht nicht unbedingt Recht. Ob man deswegen am Grundprinzip rütteln soll, kann ich nicht beurteilen.
Im Übrigen mache ich mir fast noch mehr Sorgen um das Theaterviertel, das - bis auf das Theater aus den 1960ern vom honorigen Fritz Schäfer - null historische Referenzpunkte hat. Die tabula rasa stelle ich mir städtebaulich sogar schon bedrohlich vor, denn das ist ein tatsächliches Stadtviertel und in den ersten beispielhaften Planskizzen sah das schmerzhaft beliebig aus... MIttleweile wünsche ich mir eigentlich, dass die Sheddachhalle (Posthalle?) stehen bleiben kann - aber sie steht wohl der Fahrradachse Zeitblomstraße im Weg...
Blautalcenter
Äußerlich kaum groß etwas zu ändern. Vorne eine ewig lange schmucklose Fassade, hinten der schäbige Andienungsbereich vis à vis des Stadtregals, einer renaturierten Blau und eines zukünftigen Viertels auf dem Magirus-Areal. Drinnen läuft's aber gar nicht mal so schlecht, die letzten paar Male war das Teil gerammelt voll, auf den Parkdecks Autos von überall... mal schauen, ob Moco und Magirus das Center vielleicht in ein paar Jahren noch ein bisschen weiter revitalisieren können. Ich wünsche denen nichts Böses, und als so eine Art Nebeninnenstadt der Weststadt kann man das Center schon gebrauchen.