Letzte Woche fand die alljährliche Wohnungsbaudebatte im Ulmer Gemeinderat statt, die aber noch keinen Niederschlag in der örtlichen Presse gefunden hat. Ich habe mir die Beschlussvorlage mal angeschaut - wie immer allen zur eigenen, intensiven Lektüre empfohlen - und einige (für mich) zentrale Punkte herausgesucht:
Im Jahr 2022 wurde für den Zeitraum 2022-2026 ein Ziel von 3.500 Wohneinheiten (700 WE/Jahr) beschlossen. Momentan läuft es auf rund 2.800 WE hinaus (80%; 560 WE/Jahr).
Die Stadt Ulm hat im Jahr 2023 die Grenze zu 130.000 Einwohnern überschritten. Die Szenarien für die zukünftige Entwicklung werden immer enger - für 2035 wird eine Einwohnerzahl von 144.600 bis 146.800 prognostiziert. Das wären ab heute gut und gerne +15.000 Einwohner innerhalb von zwölf Jahren, also so ungefähr fast ganz Wiblingen.
(Quelle: Stadt Ulm)
Die Preis- und Kostensteigerungen waren brutal. Einige Schaubilder:
(jeweils Quelle: Stadt Ulm)
Für die Zeit von 2027 bis 2030 stehen derzeit je rund 600 WE/Jahr in den Büchern. Größere Projekte der Innenentwicklung für diesen Zeitabschnitt und darber hinaus sind:
- Abstellgruppe Ost, soweit die auch hier erwähnte, kürzliche Änderung des Allgemeinen Eisenbahngesetzes es zulässt
- Bleidornkaserne
- Blau-Quartier
- Stockmahd
- Tannenplatz Wiblingen
Dazu noch ein paar (wohl teilweise verdichtete) EFH-Gebiete in den Außenbereichen, die aber den wohnwirtschaftlichen Hasen nicht fett machen. Nicht angerissen werden Projekte wie das interkommunale Wohngebiet auf dem Scheibenberg, zusammen mit Blaustein; auch mehr oder weniger konkretisierte Zukunftsideen wie die Kohlplatte oder auch Lettenwald Nord finden sich nicht wieder. Jedenfalls, bitte unbedingt die Anlage 1 der Beschlussvorlage im Original anschauen - hier als Screenshot:
(Quelle: Stadt Ulm)
Zum auch hier diskutierten Zweckentfremdungsverbot führt die Verwaltungsvorlage im Übrigen aus, dass Aufwand und Kosten in keinem Verhältnis zum absehbaren Ertrag stehen, also zur Zahl der aktuell leerstehenden und über dieses Instrument reaktivierten Wohnungen. Kann man so sehen, muss es nicht.
Interessant (und zu lang zum Zusammenfassen) ist Abschnitt 5 ab Seite 29, wo eine Vielzahl von Maßnahmen und Instrumenten zusammengestellt und erläutert wird, wie Wohnungsbau effizienter, wirtschaftlicher und nachhaltiger ausgestaltet werden kann. Zum Jahresbeginn 2025 soll eine Novelle der Landesbauordnung in Kraft treten, von der ich gehört habe, dass sie von Anwendern durchaus positiv aufgenommen wird.
Abschließend wirft die Verwaltung im Fazit die Frage auf, wo die Grenzen des (räumlichen) Wachstums für die Stadt Ulm erreicht werden. In mittelfristiger Perspektive gehen günstige Flächen für die Innentwicklung zur Neige, und beim stärkeren Gang in die Außenentwicklung könnte das Verhältnis von Siedlungs- und Freiflächen ins Kippen kommen, zumal die (soziale, technische, verkehrliche,...) Infrastruktur überstrapaziert werden könnte.
Insgesamt scheint die Verwaltung mit den wohnungsbaupolitischen Zielen des Gemeinderats gut zurecht kommen zu können. Als verfolgenswerte kommunale Zielstellungen in diesem Rahmen werden schlussendlich ausformuliert:
- Die Möglichkeiten einer Erbpachtregelung im Hinblick auf die Bezahlbarkeit von Wohnen soll intensiver untersucht werden
- Die Potenziale und Auswirkungen eines kommunalen Wohnungsbauförderprogramms sollen zusammengestellt und für eine Beschlussfassung vorbereitet werden
- Auf die grundsätzliche Anforderung, bei der Bebauung städtischer Grundstücke ein wettbewerbliches Verfahren durchzuführen, wird verzichtet. An städtebaulich prominenten Stellen kann zwischen einem entsprechenden Verfahren oder einer Begleitung des Vorhabens durch den städtischen Gestaltungsbeirat gewählt werden
- Untersuchung der Möglichkeiten zur kostengünstigeren zentralen Unterbringung von Stellplätzen sowie die Reduzierung von Stellplatzanforderungen einschließlich der daraus resultierenden Aufgaben für den öffentlichen Raum
- Förderung von innovativen Wohnungsbaukonzepten (modulare Bauweise). In Zusammenarbeit mit der UWS sollen im Baugebiet Eschwiesen III in Wiblingen und im Baugebiet In der Wanne zwei Pilotprojekte in serieller und modularer Bauweise umgesetzt werden. Dabei sollen die Möglichkeiten zur Reduzierung von baulichen Standards untersucht werden.
- Förderung der Realisierung von differenziert integrierten Kleinstwohnungen, besonders im geförderten Bereich zur Versorgung von Single-Haushalten mit niedrigem Einkommen
- Besondere Berücksichtigung bei der Realisierung und Bereitstellung von großen Wohnungen für Familien mit Kindern (v. a. im geförderten Bereich)
- Beförderung sozioökonomisch gemischter Bewohner*innenstrukturen - auch in Hinblick auf Zielgruppen mit Unterstützungsbedarf
Die Vorlage wurde mit großer, fraktionsübergreifender Mehrheit von 36 Stimmen bei zwei Enthaltungen und zwei Abwesenheiten angenommen. Wir können davon ausgehen, dass die genannten Punkte den Wohnungsbau in Ulm mitbestimmen werden.