Ich kann es leider nur anekdotisch darlegen, aber in meinem Bekanntenkreis ist es tatsächlich so. Da gibt es eine klare Trennung zwischen Leuten, die das Auto nutzen, das Fahrrad, oder zu Fuß/Nahverkehr. Es steckt ja auch eine gewisse Logik dahinter. Habe ich ein Auto, zahle ich dafür, ob ich es nutze oder nicht, ich zahle Versicherung, Stellplatz und Alterung des Fahrzeugs. Also wäre es unlogisch es nicht möglichst oft zu nutzen, zumal es bequemer meist ist. Wenn man ein Paar hat mit einem Auto wird das Auto zwar aufgeteilt, aber es ist immer noch Dreh- und Angelpunkt über das Pendeln hinaus, z.B. für Einkäufe usw. Dagegen gibt es dann auch passionierte Fahrradfahrer, die ansonsten Zug/Öffis nutzen. Die haben praktisch keinen Kontakt zum Auto außer vielleicht mal einen Leihwagen. Und dann gibt es die, die weder Auto haben, noch gern Fahrrad fahren und alles ohne diese bestreiten. Durch diese Trennwirkung kommt es auch zu so wenig Verständnis füreinander. Ich, persönlich wandele genau zwischen diesen Welten. Ich zähle zur beschriebenen Fahrradfraktion, aber sobald ich bei meinen Eltern bin, passionierte Autofraktion mutiere ich selbst dazu. Da werden die Kinder nur noch mit Auto verbracht und auch für kleinere Trips kramt man doch nicht das Fahrrad aus dem Keller raus. Auch zum Sonntagsspaziergang wird erstmal wohin gefahren. Und das alles relativ unabhängig davon, ob es nun ein Öffi Angebot gäbe, oder man mit dem Fahrrad schneller wäre.
Sehr gut beschrieben. Bei mir ist es so, dass ich viele Jahre lang, in meiner Zeit in Karlsruhe, passionierter Fahrradfahrer war, natürlich mit Jahreskarte für den ÖPNV und sogar für einige Jahre mit einer BahnCard 100 (beruflich bedingt, aber privat bezahlt). Karlsruhe und Umland sind topfeben, so dass Radfahren wirklich Spaß macht, und über die Qualität des KVV-Angebotes muss man eh nichts sagen, so dass ein Auto für mich einfach komplett unnötig war.
Als ich dann nach Ulm kam und oben auf den Eselsberg gezogen bin, war der Spaß beim Radfahren plötzlich vorbei, und die ollen Busse ohne brauchbaren Nachtverkehr sind auch nicht sonderlich attraktiv. Einkäufe und Getränkekisten erst mal ein paar Hundert Meter bergauf zu schleppen, macht keinen Spaß. Da kam die Tatsache, dass mein neuer Job bei einem großen Automobilhersteller auch einen guten Deal für einen ordentlichen Firmenwagen beinhaltete, wirklich nicht ungelegen. Und wenn man dann mal so ein schickes Auto daheim stehen hat, für das man zwar keinen Sprit zahlen muss, dafür aber ein paar Hundert Euro monatliche Flatrate entrichtet ob es rumsteht oder nicht, dann will man das auch nutzen... und so beschränkten sich seitdem meine Busfahrten auf gelegentliche alkoholbeinhaltende soziale Events, für die ich keine Mitfahrgelegenheit finden konnte. Und es gibt in der Umgebung von Ulm wirklich viele schöne Orte für den Sonntagsspaziergang, die aber quasi alle nur mit dem Auto erreichbar sind - solange man eben kein passionierter und trainierter Lang- und Bergstreckenradler ist.
Trotzdem vermisse ich die BC100-Zeiten, wo ich "mal eben" für einen Tagesausflug mitm ICE nach Hamburg gecruised bin, um dort mittags Fisch zu essen, danach wieder zurück, und die 12-14 Stunden Fahrt zum konzentrierten Arbeiten genutzt habe. Sowas würde ich mir selbst mit schickem Auto nebst Tankflatrate nie antun.