• Hier mal ein Beitrag zum Böfinger "Zentrum": Zumindest lässt sich die Absicht vermuten, dass hier damals (Planung wohl gegen Anfang, Realisierung so gegen Ende der fünfziger Jahre) ein Stadtteilzentrum vorgesehen war. Optisch bestimmend ist hier zwar das Trio der Wohnhochhäuser, jedoch ist das Einkaufszentrum mit seinen Ladengeschäften - auf zwei Ebenen in klassischer Sichtbetonoptik - von dessen Mittelpunkt nach Osten verschoben, also nicht von den Hochpunkten eingefasst. Das Ladenzentrum selber wirkt sehr beengt, tief und schattig, ist untypischerweise in der Aufsicht rechteckig und macht somit einen im Vergleich zu den Eselsberger und Wiblinger Pendancen (Tannenplatz+Tannenäcker) noch unangenehmeren Eindruck. Ähnlich wie beim Eselsberg haben hier seit der Nachkriegszeit (und bis zum heutigen Tag) viele Flüchtlinge (und später Aussiedler) ihr Zuhause gefunden und das soziale Leben im Stadtteil wesentlich bestimmt.


    Wenn man die Entfernung vom Laden- zum Gemeindezentrum mit seiner zugegeben avantgardistischen Sakralarchitektur einbezieht, so liegt alles ziemlich verstreut, oder besser gesagt in die Länge gezogen, in einer ansonsten locker bebauten Siedlung viergeschossiger Flachdachbauten im Nordosten, alle mit demselben dreiflügeligen Grundriss, und zweigeschossigen ähnlich gearteten Wohngebäuden im Südosten. Alles weist eine Ost-West-Ausrichtung auf. Südwestlich und nordöstlich anschließend an das Ganze findet man wieder etwas ältere Wohnbauten mit Giebel, dazwischen hat sich ein moderner Supermarkt einquartiert.


    Als ich Mitte 2012 das letzte Mal dort war (Aufnahmezeit der Fotos), sah alles bemerkenswert aufgeräumt aus und war wohl auch kürzlich saniert worden. Das setzt sich mit der Fassadenerneuerung der Hochhäuser fort - hier schon an den Gerüsten zu sehen, zum jetzigen Zeitpunkt wahrscheinlich fast abgeschlossen. Der Stadtteil ist für Aufgeschlossene immer eine Fototour wert. :D


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  • Sehr schöner Beitrag, vielen Dank!


    Ich meine, da so ein bisschen Ratlosigkeit rauslesen zu können - Was soll man mit diesem Stadtteilzentrum anfangen? -; falls ich da richtig liege, bin ich ganz bei dir. Baugeschichtlich und stadthistorisch ist das Ensemble sicherlich interessant. Tatsächlich war der rege Zustrom aus dem Osten wohl der motivierendste Faktor, hier zügig Wohnraum zu schaffen und zugleich auch einen Lebensraum zu konzipieren, womit man in dieser Form und zu dieser Zeit natürlich keine Erfahrung hatte.

  • So ist es Reiner L. , die Baumasse steht meines Erachtens in keinem Verhältnis zur Umgebung. Ganz zu schweigen von der ausdruckslosen Fassade mit seinem Farbmix. 30iger Jahre hin oder her es ist für mich nach heutigen Gesichtspunkten eine Bausünde.

    Obwohl die Probleme der Welt immer komplexer werden, bleiben die Lösungen beschämend einfach.
    Bill Mollision

  • Ich glaube, ich ändere jedes Mal meine Meinung, wenn ich an diesem Gebäude vorbeikomme. Man kann daran schon schön sehen und auch für heute noch lernen, wie es wirkt, wenn die Gestaltung von so großen Gebäudevolumen zu gleichförmig ist. Schön ist das nicht. Aber es ist halt schon auch richtige 1930er Architektur für Arbeiterviertel, zur Weststadt gehört diese Zeit und Architektur auch dazu... schwierig.


    Wäre ich der Eigentümer, würde ich mir folgendes durch den Kopf gehen lassen.

    • Fenster deutlich vergrößern und unregelmäßiger machen, und zwar nach Gebäudeteil: beim einen reguläre (aber größere) Fenster, beim nächsten bodentief, beim dritten mit französischem Balkon...
    • Wenn energetisch saniert werden soll: zur optischen Auflockerung unterschiedliche Techniken für die Gebäudeteile einsetzen. verputzte Styroporplatten, vorgehängte Fassade, Verblender...
    • Ein Erker fürs Eckgebäude! :D
    • OG5 abtragen und als zurückgesetztes Staffelgeschoss neu aufbauen.
    • Bekenntnis zu den 1930ern: Stein als Fassadenmmateriel, und wenn's nur das EG ist, oder die ein oder andere emblematische Verzierung. Muss auch nicht gleich wie am Finanzamt sein :D .

    Aber ich schätze mal, der Eigentümer dürfte genossenschaftlich oder anderweit gesellschaftlich sein und die Miete sich hier eher im leistbaren Bereich bewegen. Da ist das Budget für solche Spielereien überschaubar.

  • Da muss ich doch ein bisschen, die von mir eher ungeliebte, 30-er Jahre Wohnbauarchitektur verteidigen. Der Baukörper mag zwar vergleichsweise brutale Ausmaße annehmen aber die Wagnerstraße ist für mich eine der sehr wenigen (nicht gerade hübschen) großstädtisch wirkenden Staßenzügen der Stadt, wie man sie sonst bspw. z.T. in Schwabing oder der Ludwigsvorstadt findet. Von daher finde ich das Volumen durchaus angebracht.
    Warum man kleine, quadratische Fenster einbaut, hab ich noch nie verstanden aber die gehören schon irgendwie zu Gebäuden dieser Klasse aus jener Zeit, wie auch strenge, horizontale fassadengliederne Elemente.
    Wirklich gut gefällt mir hier auf jeden Fall das über das "Gesims" gesetzte mezzaninartige Geschoss mit dem auf ein Minimum reduzierte aber immerhin vorhandenen Schlussfries. Dieses Prinzip wirkt schon sehr klassisch, ist nur leider in der Architektur heute völlig verschwunden und vergessen.
    Da wir sehr wenige Gebäude, geschweigedenn Ensemble aus dieser Zeit haben, wäre ich für eine strikte Beibehaltung der Außenwirkung bei einer Renovierung mit Erhalt der Horizontalen (nicht wie beim 2. von rechts).
    Hier in Mainz habe ich einige Umgestaltungen von vergleichbaren Objekten beobachten können und das ging leider nie gut aus...