Klein-Sibirien

  • Der Stadtteil Böfingen wird 1957 nach hochmoderbem Städtebaukonzept geplant. Anfangs wurde Böfingen wegen der damals abgeschiedenen Lage und dem auf der Alb manchmal kalten und reuen Windes als

    Klein-Sibirien verspottet, hat sich aber schneller zu einem Beliebten Wohnort entwickelt


    Das Konzept hat eine Erschließungsstraße und führt im Halbkreis nördlich der Wohngebiete vorbei. Von dieser Straße führen Stichstraßen mit Wendeplatten am Ende ab. Die Querverbindungen zwischen den einzelnen Straßen übernehmen Fuss- und Radwege. Es wurde schon damals auf strikte Trennung von Fussgänger und Autoverkehr geachtet, was denke ich den Stadtteil heute noch attraktiv macht. Auch das Versorgungszentrum, das heute durch einen Rewe und Lidl Markt ergänzt werden wurde auf zwei Ebenen konzipiert. Dieses Konzept galt bald in der Fachwelt damals als beispielhaft und wurde sehr gelobt.

    Dieser moderne Stadtteil passt sehr gut zum damaligen Ulm, das ja durch die damals noch existierende HfG eine art Mekka der Moderne war.


    Es sollte auch damals der Zersiedelung entgegenwirken. Daher waren keine Einfamilienhäuser geplant. Es wurden ausschließlich Mehrfamilienhäuser oder Reihenhäuser gebaut, die durch die drei Punkthochäuser im Zentrum ergänzt wurden. Ab den 1980er Jahren entstanden dann auch linksseitig der Erschließungsstraße Wohngebiete, in denen aber auch Einfamilienhäuser gebaut wurden. Auch die Straßenbahn wurde später dann bis nach Böfingen verlängern. Diese Baumaßnahmen änderten das Konzept aber.


    Auf mich wirkt der Stadtteil heute noch sehr attraktiv, vielleicht so eingewachsen noch schöner, als zur Erbauungszeit. Und in manchem heißen Sommer könnte ich mir vorstellen, das es dort oben etwas angenehmer manchmal ist.

  • Was ich mich aber frage ist, vielleicht weiß das jemand hier, wie der Berg heißt, auf dem Böfingen liegt. Man kennt ja den Michelsberg oder den Safranberg in Ulm, aber ist das noch der Badberg, der in Thalfingen beginnt?

  • Was ich mich aber frage ist, vielleicht weiß das jemand hier, wie der Berg heißt, auf dem Böfingen liegt. Man kennt ja den Michelsberg oder den Safranberg in Ulm, aber ist das noch der Badberg, der in Thalfingen beginnt?

    Wenn man vom Messegelände die Böfinger Steige nach Böfingen hochfährt, nennt man die Gegend da Braunland. Keine Ahnung warum und ob das der Name des Hangs ist.

    Ich würde das Gelände auf dem Böfingen weiter oben steht eher als Hochfläche bezeichnen, den nach Norden fällt er ja nicht ab. Und der Süden ist ja nur der Abhang zur Donau hin.

  • Der hintere Teil oder der obere nennt sich Hafenberg, dort gibt es auch einen Hafenbergweg.



    Zu sehen unter Ulm vor 1957

    https://ulm-boefingen.de/index.php/historisches.html#vor-1957


    Ergänzung,

    Oberhalb des Wohngebiets um den Buchenlandweg im Nördlichen Teil befindet sich ja der Schöner Berg.

    Sedelhöfe Galerie, klick, Orginalgröße,
    "Die beste Methode das Leben angenehm zu verbringen, ist, guten Kaffee zu trinken." ( Jonathan Swift )

  • Der hintere Teil oder der obere nennt sich Hafenberg, dort gibt es auch einen Hafenbergweg.

    Moin moin,


    eine seltsam anmutende Bezeichnung für diesen Ort!


    Möglich wäre ein Übernahmefehler eines Langen-S, wie z.B. aus der Fraktur bekannt (Bierfreunde kennen das vom "Hasseröder" ;) )

    Dann wäre das der Hasenberg, 'analog' zum Hasenkopf am Eselsberg.


    Interessanterweise gab es unterhalb des Hafenberges in den 1930er Jahren tatsächlich Pläne für einen Hafen: den Osthafen. Ein Westhafen war am heutigen Industriegebiet Donautal vorgesehen.


    Hier ein Beitrag des Stadtarchivs: https://stadtarchiv.ulm.de/ulm…-und-handel/hafen-kanaele

    und ein Übersichtsplan als PDF als Download.


    Vielleicht ist der Hafenberg ja ein letztes Relikt dieser Pläne, wer weiß?


    Sonnige Grüße aus Nordfriesland

    David

  • Guter Thread und gutes Material - erinnert mich daran, dass wir diesen Forenbereich dringend umstrukturieren müssen. Das war eigentlich der Plan nach unserem Software-Update, aber dann ist das auf meinem Schreibtisch liegengeblieben...


    Zur Geschichte Böfingens kann man noch erwähnen, dass der Stadtteil - ebenso wie Wiblingen - seinen jüngsten Wachstumsschub zu einem großen Teil auf die Immigration von Spätaussiedlern und Russlanddeutschen zurückführen kann. (Deswegen musste ich beim Thread-Titel erstmal mit einer erhobenen Augenbraue stutzen, aber da war ich nur zu voreilig :).)


    Eine großmaßstäbliche Planung wie diese massive Stadtteilerweiterung würde man heute zwar anders machen, für seine Zeit war das Konzept aber schon wirklich sehr anständig. Böfingen kam auch zugute, dass der Stadtteil entwickelt wurde, bevor das Paradigma der autogerechten Stadt sich durchsetzte; fünf oder zehn Jahre später wäre der Stadtteil sicherlich anders ausgefallen. Die Grundzüge sind aber durchaus mit der heutigen Art und Weise, wie man Städtebau betreibt, kompatibel - Weiterentwicklungen damit ziemlich sauber möglich. In der Hinsicht sehe ich Kern-Böfingen deutlich positiver als die doch arg autarken Wohngebiete Eichengrund/Eichenplatz und Eichberg.


    Natürlich finde ich auch spannend, wie die Reise weitergeht. Die letzte große Erweiterung fand im Rahmen des Baugebiets Lettenwald statt, das bis auf einige laufende Vorhaben wohl durchentwickelt ist. Prinzipiell denkbar und in den Planungen bedacht ist eine Erweiterung des Baugebiets nach Norden, Richtung Haslach, sowie eine Querspange vom Kreisverkehr an der L 1079 zur Otl-Aicher-Allee. Außerdem bekannt ist, dass der Böfinger Campus der Hochschule zugunsten des Neubaus auf dem Eselsberg aufgelöst und neu entwickelt wird - wohl mit einer "Bildungsnutzung". Schaut man auf die Karte, sieht man, dass die Fläche viel Potential hat, um positiv auf ihr Umfeld zu wirken.

  • Eine Verbindung von der Otl-Aicher-Allee zur alten B19 finde ich jetzt nicht ratsam.

    Ich erinnere an die Diskussion in der Öffentlichkeit vor einigen Jahren in der berfürchtet wurde daß eine solche Verbindung vor allem dem Abkürzungsverkehr dienen wird. Ich möchte an einer solchen Straße mit Durchgangsverkehr nicht wohnen.

    Erschließungsstraße ja - aber kein Durchgangsverkehr ist meine Meinung.

  • Eine Verbindung von der Otl-Aicher-Allee zur alten B19 finde ich jetzt nicht ratsam.

    Ich erinnere an die Diskussion in der Öffentlichkeit vor einigen Jahren in der berfürchtet wurde daß eine solche Verbindung vor allem dem Abkürzungsverkehr dienen wird. Ich möchte an einer solchen Straße mit Durchgangsverkehr nicht wohnen.

    Erschließungsstraße ja - aber kein Durchgangsverkehr ist meine Meinung.

    Was sich im amerikanischen Städtebau jedoch gezeigt hat, und was hier wohl erst noch zu lernen ist: Dieses "dead end with turning cavern" Prinzip, bzw. Rundstraßen, die nur Wohngebiete anschließen mit einer Zugangsstraße führt zu deutlich verlängerten Wegstrecken, einer "Entnetzung", und damit weniger Fußgänger- und mehr Autoverkehr. Auch kommt es dort teilweise zu einer Verödung, da diese Straßen so enorm ungenutzt sind und damit auch unsicherer werden.

    Deren Lösung finde ich ganz interessant. Nämlich mögliche Abkürzungsstrecken konsequent herunterbremsen, und ganz wichtig, Rad-und Fußwege als Abkürzungen und Quervernetzungen einziehen.

  • Da gebe ich dir Recht Puquio.

    Ich wollte damit nur aufzeigen daß solche Straßen für eben den Grund , den ich genannt habe, zu schnell befahren werden. Man könnte ja noch ein, zwei Minuten sparen, ohne Rücksicht auf Verluste...

    Mein Wunsch wäre, daß mit einer Vergrößerung des Wohngebietes nach Norden eine Straßenbahn in die Otl-Aicher-Allee gebaut wird. Alleine das senkt die Durchschnittsgeschwindigkeit durch die nötige Beampelung und macht die Abkürzung unattraktiver.

  • Ich wollte damit nur aufzeigen daß solche Straßen für eben den Grund , den ich genannt habe, zu schnell befahren werden. Man könnte ja noch ein, zwei Minuten sparen, ohne Rücksicht auf Verluste...

    Mein Wunsch wäre, daß mit einer Vergrößerung des Wohngebietes nach Norden eine Straßenbahn in die Otl-Aicher-Allee gebaut wird. Alleine das senkt die Durchschnittsgeschwindigkeit durch die nötige Beampelung und macht die Abkürzung unattraktiver.

    Ist gut gedacht, eine Lösung aus den Niederlanden scheint zunächst paradox, doch sie funktioniert: den Straßenraum der Verkehrträger mischen, etwas Unübersichtlichkeit erzeugen z.B. durch Grün, sodass keine langen geraden Korridore entstehen. Die Autos werden automatisch viel langsamer. Alternativen mit Tempolimits haben ein wenig das Manko dieses fehlenden psychologischen Effekts und somit der Erfordernis ständig zu kontrollieren. Übrigens Freising hat oder ist glaube gerade dabei seine Innenstadt in so eine Verkehrszone umzubauen. Auch wenn es da allgemein um Vehrkehrsberuhigung geht ohne alle auszusprerren.

  • Hochspannend, was es da so gibt. In der Verkehrsplanung bin ich quasi null drin, aber die Vermeidung von Entnetzungen finde ich spontan sehr plausibel. In Ulm dominieren im Außenbereich die Tangenten, größere Wohngebiete aus den letzten Jahrzehnten folgen oft diesem Cul-de-Sac-Prinzip.


    Ob es Bereiche gibt, die man anders planen kann? Spontan fällt mir die Langfristentwicklung für den Oberen Eselsberg ein, mit dem 2. BA des Science Park III und dem direkt anschließenden interkommunalen Wohngebiet auf dem Scheibenberg.